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 18/04/2016

Merkel lässt Strafverfahren zu

Jan Böhmermann und sein „Schmähgedicht“ haben auch diese Woche wieder die Schlagzeilen der großen deutschen Medien dominiert. Im Verlaufe der Woche diskutierten Medienmacher über die Folgen, die das Gedicht haben sollte und würde. In seiner Sendung Neo Magazin Royale las Böhmermann am 31. März Zeilen mit dem Titel „Schmähgedicht“ vor, um Erdogan den Unterschied zwischen erlaubter Satire und Beleidigung zu verdeutlichen.

Der türkische Präsident Tayip Erdogan verlangte deshalb Anfang der Woche per Depesche an das Auswärtige Amt ein Strafverfahren gegen Böhmermann nach §103, Majestätsbeleidigung. Der Paragraph, der im Volksmund auch „Schahparagraph“ genannt wird, stammt noch aus der Kaiserzeit. Die Bundesregierung jedoch muss Ermittlungen dieser Art zunächst zustimmen.

Während die Meinungen zu Böhmermanns Beitrag von gelungen bis zu rassisch reichten, waren sich doch fast alle einig, dass eine Anklage nach §103 falsch wäre. Denn Erdogan hat auch einen Strafantrag als Privatperson gestellt. Deshalb hatte das Landgericht Mainz bereits Ermittlungen aufgenommen.

Am Freitag entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch, dass sie Erdogans Antrag statt gibt. In ihrer Ansprache wies sie daraufhin, dass sie den Fall nun der Justiz übergebe. In naher Zukunft soll §103 zudem abgeschafft werden.

Böhermanns Anwalt nannte Merkels Entscheidung „höchst bedenklich“. Merkel habe Böhmermann so vorverurteilt, die Staatsanwaltschaft müsste das Gedicht ohnehin prüfen. Meinungsmacher empfinden die Entscheidung als ein „Kuschen vor Erdogan“, der eine Schlüsselfigur in der Flüchtlingspolitik ist. Laut einer ARD-Blitzumfrage halten zwei Drittel der Deutschen die Entscheidung für falsch.

Experten halten auch deshalb eine Verurteilung Böhmermanns für unwahrscheinlich. Sie rechnen damit, dass das Gedicht der Presse- und Kunstfreiheit zugeschrieben wird. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, käme auf Böhmermann wahrscheinlich bloß eine Geldstrafe zu.

Von: Finja Seroka – (Almanya Bülteni)