Geschichten aus Wuppertal


'Wir brauchen mal den Olli', ruft Yasemin Markstein durch den überschaubaren Wuppertaler Supermarkt Dolunay. Sie möchte, dass ihr junger Kollege das Licht ändert. Der packt auch gleich das große Lichtstative und schiebt es quietschend nach hinten. Yasemin läuft an der Kamera vorbei in die Gemüseabteilung, um Ollis Schritte per Monitor genau zu überwachen. Währenddessen wechselt auch die Tontechnik. Die Schauspieler nutzen die Unterbrechung, um ihre Maske aufzubessern.
Elf Jugendliche aus Wuppertal haben das türkische Lädchen an diesem Sonntagnachmittag in eine Filmkulisse verwandelt. Sie gehören zum Verein 'Vollbild e.V.' und gestalten derzeit unter dem Titel 'Blickpunkte' ein mehrteiliges Filmprojekt.
Die Kamera fokussiert die Supermarktkasse: Gül legt zwei Becher Ayran auf das Band. Verlegen schaut sie Yasin, den Verkäufer an. 'Stopp!', tönt es aus der Gemüseabteilung. Yasemin schüttelt energisch den Kopf. 'Der Blick muss verunsicherter sein. Ihr habt gestern den ganzen Abend miteinander verbracht. Redet persönlicher miteinander'. Ihre Anweisungen sind kurz und prägnant. Die beiden jugendlichen Hauptdarsteller nicken ruhig. Kein Meckern, kein genervtes Augenrollen. Dabei drehen sie die Szene gerade zum sechsten Mal.
An Professionalität lassen es auch die Kamerafrau und der neue Tontechniker nicht mangeln. Mit einer Engelsgeduld richten sie ihre Geräte neu aus. Dabei sind die freiwillig hier. Keinen Cent erhalten sie für ihr Engagement. Höchstens mal einen Pappbecher Kaffee. Es sei tatsächlich allein die Motivation, einen guten Film auf die Beine zu stellen, bestätigt Drehbuchautorin und Regisseurin Yasemin.
Sie erzählt in dem Film die Geschichte des Türken Yasin, der für einige Tage den Lebensmittelladen seiner Eltern übernehmen muss. Als hätte der junge Chaot damit nicht schon genug zu tun, taucht zeitgleich auch noch seine Kinderliebe Gül auf, die er natürlich für sich gewinnen möchte.
Die Idee zum Film kam ihr spontan. 'Ich wusste nur, dass es eine Komödie werden sollte. Da bietet es sich natürlich an, auch ein bisschen mit den typisch türkischen Klischees zu spielen.' Yasemin grinst. Und tatsächlich wird in dem Film für deutsche Verhältnisse viel geküsst und viel geherzt. Einige Sätze fallen sogar auf türkisch, was dem gesamten Film Authentizität verleiht, ihn schnelllebiger wirken lässt.
Ein gewollter Effekt erklärt Produzent Mario von Grumbkow: 'In erster Linie sollen die Filme unterhalten'. Für seine 23 Jahre sieht Mario noch jung aus. Er trägt ein Shirt von den 'Toten Hosen' und eine gestreifte Stoffhose. Ein wenig verlegen berichtet er von den Anfängen des Projekts, dass er vor rund einem Jahr ins Leben gerufen. Die Kurzfilmprojekte 'Paris je t’aime' und 'New York I love you', die jeweils Geschichten aus den verschiedenen Teilen der Städte erzählen, waren seine Inspiration. Im Vollbild-Verein fand er schnell Unterstützung. Unter anderem von Yasemin. 'Ich hoffe, dass wir Wuppertals Kultur ein bisschen beleben können', begründet sie ihre Motivation. Ihr 'Türkei-Film' ist der vierte seiner Art. Die fehlenden sechs Filme werden noch bis Juli 2013 gedreht, dann ist Premiere. 'Wir wollen eine Film-Tour durch das Bergische Land machen und uns bei verschiedenen Wettbewerben beweisen', erklärt Mario. Er blinzelt in die warme Sonne. In der Hand hält er immer noch die Klappe. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Viele Szenen fehlen noch. 'Klar ist es anstrengend.', gibt die 23-Jährige Yasemin zu. 'Wir drehen schon mal zehn Stunden am Stück und da dann die Konzentration zu bewahren ist schwer, aber dann muss man einfach an das Produkt denken und dann klappt das schon'. Mario nickt zustimmend. Die beiden Kollegen betreten wieder den Supermarkt. Die Kasse ist jetzt endlich in perfektes Licht getaucht. Die nächste Szene kann beginnen.

* = Freie Journalistin – (Stippendiatin der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer Stiftung)



















































































