-
Aa
+
 23/02/2012

Gedenkfeier für Neonazi-Opfer

Gedenkfeier für Neonazi-Opfer

Angela Merkel

Mit einer Gedenkfeier gedachte die Bundesregierung heute der Neonazi-Opfer, die der Zwickauer Neonazi-Zelle in den Jahren 2000 bis 2006 zum Opfer fielen. Anlässlich hierzu hielt Bundeskanzlerin

Angela Merkel vor ausgewählten 1.200 Gästen im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt eine Hauptrede, die ursprünglich vom Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff gehalten werden sollte. Um 12 Uhr wurde mit einer Schweigeminute bundesweit all der Opfer der rechtsextremistischen Gewalt in Deutschland gedacht. Aufgrund der besonderen Umstände gab es auch hohe Sicherheitsvorkehrungen (Stufe 1) im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt.

In ihrer Rede setzte Angela Merkel deutliche Zeichen gegen rechtsextremistische Gewalt in Deutschland. 10 Kerzen wurden für jene Menschen aufgestellt, deren Leben ausgelöscht wurden durch neonazistische Mörder. Die 11.Kerze stand für Verletzte durch rechtsextremistische Gewalt und die 12. Kerze als Symbol für die Zukunft, dass sich so etwas nicht noch einmal in Deutschland wiederholt.

Merkel: 'Gleichgültigkeit teilt Gesellschaft.'

Ihre Rede begann Angela Merkel damit, alle Opfer namentlich zu nennen und setzte ihre Rede mit bewegenden Worten – aber auch mit Selbstkritik – fort: '10 Kerzen stehen für eine Mordserie in Deutschland. Warum konnten wir das nicht verhindern? Wir vergessen zu schnell, viel zu schnell. Mit einer Schweigeminute ehren wir die Opfer der Terrorgruppe, auch jene die durch die Anschläge in Köln verletzt wurden. Oft genug nehmen wir solche Taten, die als Schlagzeilen in den Medien wenige Tage auftauchen, wahr, verdrängen dies aber.' Sie forderte dazu auf, Zeichen gegen Gleichgültigkeit zu setzen. 'Gleichgültigkeit teilt Gesellschaft.'

Schande für Deutschland

Angela Merkel bat Familienangehörige um Verzeihung insbesondere wegen des Tatverdachts gegenüber Familienangehörigen. Besonders das Zitat von Angehörigen gegenüber Altbundespräsident Christian Wulff 'Wie wollten einfach nur wie normale Menschen behandelt werden', war eines der bewegenden Momente während der Rede. Merkel sprach ihr Mitgefühl aus und unterstrich ihr Versprechen für eine Aufklärung: 'Niemand kann die Jahre der Trauer und der Verlassenheit auslöschen. Wir fühlen mit ihnen, wir trauern mit ihnen. Trauer darf keine Randnotiz sein. Es müssen Taten folgen.' Auch hier wurde die Selbstkritik laut: 'Die bittere Wahrheit ist: zu lange blieben Hintergründe verdeckt.'

Merkel betonte, dass ‚die Taten eine Schande für Deutschland’ seien und sprach sich für ein Gemeinschaftsgefühl; ein Gemeinschaftsgefühl für Deutschland: 'Deutschland – das sind wir alle. Wir alle gemeinsam prägen das Gesicht Deutschlands.' Insofern sei die 12. Kerze Symbol der gemeinsamen Zuversicht und Hoffnung.

Keine materielle Entschädigung, sondern seelischer Beistand

Bei der Gedenkfeier kamen auch Angehörige der Mordopfer zu Worte. Ismail Yozgat, Vater des 21-jährigen Halit Yozgat bedankte sich insbesondere bei Altbundespräsident Wulff, der eine solche Gedenkfeier initiiert hatte. Er gab deutlich zu erkennen, dass keine materielle Entschädigung, sondern seelischer Beistand des deutschen Staates erwünscht sei und stellte weitere Forderungen wie die Umbenennung der Straße, in dem sein Sohn geboren – aber auch ermordet worden war, die Gründung einer Stiftung sowie die Ausschreibung eines Preises, dessen Erlös Krebskranken zugute kommen soll.

Die Tochter des ersten Mordopfers Semiha Simsek berichtete von ihrer empfundenen Trauer – aber auch Hilfslosigkeit gegenüber den Tatverdachtsäußerungen seitens der Ermittler. 'Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein.' Ihr getöteter Vater sei des Drogenhandels und anderer Straftaten verdächtigt worden, sagte Simsek. Ihre Verunsicherung sei groß: Sie wolle Deutschland als Zuhause sehen: 'Bin ich in Deutschland noch zuhause? Ja klar bin ich das. Aber: wie soll ich mir dessen noch gewiss sein, wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben wollen?'

Der Staat hat versagt

Die emotionale Gedenkfeier fand in einem sehr einfachen Rahmen statt. Umso mehr rückte der traurige Anlass in den Vordergrund. Es wurde bewusst auf religiöse Symbolik verzichtet, um so staatliche Zeichen zu setzen und auf die tragische Weite der Geschehnisse aufmerksam zu machen, aber auch Selbstkritik auszuüben, so wie es Angela Merkel auch tat: 'Der Staat hat versagt. Die Anschläge sind auch ein Anschlag auf unser Land.'

Die Gedenkfeier fand auch in der türkischen Gemeinde breite Zustimmung: der Staatsakt wurde als Zeichensetzung gegen Rechtsextremismus gewertet. Gefordert wurde aber auch weitere konkrete Handlungen und Taten der Bundesregierung.

Angehörige der Mordopfer der Zwickauer Zelle empfanden den Staatsakt als Genugtuung, so Bundestagsvizepräsident Thierse. Insbesondere falsche Verdächtigungen seien selbstkritisch zu betrachten.

 

Für die Zukunft erhofften sich alle Beteiligten mehr gesellschaftliche Sensibilität für das Thema rechtsextreme Gewalt in Deutschland.

 

 

Von : (Almanya Bülteni) – Berlin

 

 

Deutsch