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 24/06/2013

Entwicklungschancen für Alle

Entwicklungschancen für Alle

Der ehemalige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und Exministerpräsident von NRW Wolfgang Clement gab in einem Miniexklusivinterview mit www.almanyabulteni.de wichtige Statements ab, insbesondere im Hinblick auf berufliche Chancengleichheit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Er unterstrich die Notwendigkeit von Chancengerechtigkeit für Jugendliche, um ihnen in Deutschland den Weg für bessere Bildungsmöglichkeiten zu ebnen. Seine offenherzigen Ansichten über Karrierechancen von zugewanderten Fachkräften waren richtungsweisend. Aber auch angesichts der aktuellen Situation bezüglich der Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei - insbesondere vor dem Hintergrund der dortigen Demonstrationen - und deren EU-Beitritt äußerte sich Clement deutlich und unmissverständlich.

Wie kann man Jugendlichen mit Migrationshintergrund den Einstieg ins Berufsleben erleichtern?

Wolfgang Clement: Ich bin überzeugt, wir brauchen in Deutschland nicht nur, aber auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund eine grundlegende Umorientierung und einen Umbau unseres Erziehungs- und Bildungswesens. Das Ziel muss sein, allen Kindern, allen Heranwachsenden, die in unserem Land leben, völlig unabhängig von ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft eine ihren Talenten entsprechende Entwicklungschance zu geben, die zu einer beruflichen Qualifikation und damit zu einer erfolgversprechenden beruflichen Entwicklung führt. Dazu sind von den Kitas und Kindergärten über alle Schulen bis in die berufliche Qualifikation und darüber hinaus bis in die Weiterbildung wichtige Veränderungen notwendig. Sie kosten viel Kraft und auch sehr, sehr viel Geld. Aber dazu müssen wir - unter Verzicht auf andere, weniger wichtige Auf- und Ausgaben - bereit sein. Denn es geht um mehr Gerechtigkeit, um Chancengerechtigkeit. Sie müssen wir im Interesse der jungen Menschen wie auch im Interesse unseres Landes zu verwirklichen suchen.

Wie sehen Sie die Karrierechancen von türkisch zuwandernden Fachkräften?

Wolfgang Clement: Wir brauchen mehr Fachleute in unserem Land, weil uns der demografische Wandel, der sich hier sehr tiefgreifend vollzieht, sonst immer mehr zu schwächen droht. Dazu müssen wir alles tun, um mehr Menschen, die hier leben, die Chance zu geben, sich beruflich zu qualifizieren oder besser oder anders zu qualifizieren. Und wir brauchen auch mehr Fachkräfte aus dem Ausland, keineswegs nur aus den heutigen Mitgliedstaaten der EU, sondern prinzipiell aus allen Himmelsrichtungen. Selbstverständlich sind uns auch Fachkräfte aus der Türkei willkommen. Die Bedingungen, unter denen sie hierher kommen können, sind kürzlich gesetzlich noch verbessert worden. Und wenn ich das hinzufügen darf: Besonders willkommen sind uns Naturwissenschaftler, Ingenieure, Techniker und IT-Spezialisten.

Wie sehen Sie die Chancen der Türkei für eine Vollmitgliedschaft - auch vor dem Hintergrund der aktuellen Demonstrationen gegen MP Erdogan?

Wolfgang Clement: Ich betrachte es als ein Zeichen der Nähe zwischen der Türkei und uns in Deutschland, wie aufmerksam und intensiv und durchaus auch anteilnehmend die aktuellen Ereignisse und die Demonstrationen, die Sie ansprechen, von hier aus beobachtet werden. Das spricht für ein sehr enges Verhältnis zwischen uns. Ich selbst befürworte eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU. Sie ist meines Erachtens in beiderseitigem Interesse und ich hoffe, diese Chance wird weder in den gegenwärtigen Entwicklungen noch künftig verspielt. Sie verlangt, dass beide Seiten beharrlich und unter strikter Beachtung der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Grundregeln auf das gemeinsame Ziel hinarbeiten.


Interview: Arif Şentürk -(Almanya Bülteni) - Düsseldorf

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