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 09/05/2009
 

Esra Güner

Integration in Deutschland

Integration– Oft, fast schon täglich hört man diesen Begriff in unserer heutigen Gesellschaft in den Magazinen, im Fernsehen und in den Feuilletons. Fast immer wird er in Verbindung mit Menschen mit Migrationshintergrund gebracht. Eingliederung in ein größeres Ganzes heißt es in der Definition im Wörterbuch. Das Ganze stellt bezogen auf uns Deutschland dar, die Eingliederung soll bei den Ausländern erfolgen. Scheint doch gar kein so schwerer Prozess zu sein, dieses Integrieren?

Anscheinend doch: Denn die Integration von sogenannten Ausländern scheint eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts darzustellen. Vielleicht liegt jedoch gerade der Kardinalfehler darin, von den Ausländern zu sprechen: Denn es geht nicht mehr um die Deutschen einerseits und die Ausländer andererseits, sondern es geht um die Bevölkerung in Deutschland, zu der sowohl Deutsche als auch Menschen mit Migrationshintergrund gehören. Doch wie kann die Bevölkerung mit Menschen anderer Kulturen in einer Gesellschaft zusammenleben?

Eine Frage, die Deutschland seit Jahrzehnten beschäftigt. Zumindest seit 1955, als hunderte Gastarbeiter in das Land strömten, das Arbeit und deswegen vor allem Wohlstand versprach. Sowohl die Bundesrepublik, als auch die 'Gastarbeiter' gingen dabei von einem befristeten Aufenthalt aus.

Was sich Deutschland zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht vor Augen geführt hatte: Dass man Arbeiten rief, dass aber Menschen kamen. Dass gerade diese Männer nach einer gewissen Zeit auch ihre Familie herüberbringen und hier ihr Leben weiterführen würden.
Was machte man nun? In den sechziger Jahren um Hilfe gebeten, konnte man diese Menschen nur schwer von ihrem geregelten Lebensrhythmus loslösen und sie um eine Rückreise in ihr Heimatland bitten. Zurück blieb nur eine Lösung: die Integration. Doch die erwies sich als besonders schwierig, da die meisten 'Ausländer' erst einmal mit sich selbst beschäftigt waren und immer noch sind. Geboren in ihrem Heimatland, lebten sie nun in einem völlig neuen Umfeld, mit einer völlig neuen Sprache und in einer völlig neuen Kultur, in der sie sich erst einmal zu Recht finden mussten.
Natürlich gibt es auch Beispiele von hier lebenden Ausländern, die ihren Weg gemeistert haben. Wer hat zum Beispiel nicht von erfolgreichen Deutschtürken wie dem Politiker Cem Özdemir gehört. Daneben gibt es auch unzählige Beispiele von durchaus erfolgreichen nichtprominenten Türken.
Doch leider gibt es weiterhin die andere Seite – die erschreckend ist: So besucht jeder zweite Deutschtürke die Hauptschule, jeder fünfte schafft keinen Abschluss. Das sind die Zahlen. Dahinter stecken Schicksale von Hunderttausenden. Sie sind Erklärungen für schlechtes Benehmen, Asi-Kultur und Gewalt. Sie können aber keine Entschuldigung dafür sein.

Es ist eine Balance zwischen dem Leben in zwei Kulturen zu finden, die sich für die Wenigsten als leicht, für die Mehrheit offensichtlich als zunehmend schwieriger herausstellt.
Experten sind sich einig, dass sich die Integration in drei Schritten vollzieht: Der erste Schritt beginnt mit der erfolgreichen Kommunikation. Der Austausch von Informationen kann aber nur dann erfolgen, wenn beide Seiten dieselbe Sprache sprechen. Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz hat die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Menschen, die neu nach Deutschland einwandern, so früh und umfassend wie möglich Deutsch lernen.

Zum anderen –das ist der zweite Aspekt- spielt die Eingliederung in das politische und gesellschaftliche System eine zunehmend wichtige Rolle bei der Integration. Durch sie wird eine Leitkultur geschaffen, die aber nicht die Dominanz einer Kultur meint. Vielmehr wird ein verbindliches Wertefundament angestrebt, auf dem friedliches und demokratisches Zusammenleben gelingen kann. Zur gemeinsamen Leitkultur gehört unverzichtbar die Anerkennung der Werte des Grundgesetzes und der Prinzipien des Rechtsstaates.

Als dritten und letzten Punkt ist noch die eigene Motivation zu nennen, sich selbst einzugliedern. Dazu gehört sich offen gegenüber der deutschen Kultur zu zeigen und sich dafür zu interessieren.

Nun, das sind die drei wichtigsten Punkte für die Migranten. Aber ich denke wir sind klug genug um zu erkennen, dass wir einen entscheidenden Aspekt vergessen haben. Denn: Die Integration beruht auf beiden Seiten. Deswegen sollte der letzte Aspekt der Motivation meiner Ansicht nach auf Gegenseitigkeit beruhen.
Ich selbst bin Türkin und bin hier in Deutschland geboren. Natürlich lebe ich hier und sollte mich offen gegenüber der deutschen Kultur zeigen doch das bedeutet nicht, dass ich sie gleich übernehme. Dasselbe gilt für Deutsche: Sie müssen nicht unbedingt die Tradition und Gebräuche nachvollziehen können, sie aber doch mitverfolgen. Das heißt für mich: Ich als Türkin wünsche meinen Freunden zur Weihnachtszeit 'Frohe Weihnachten' aber ich möchte genauso bei unserem Opferfest ein 'Frohes Bayram' von der deutschen Seite hören. Nur auf diesem Weg bekommt man das Gefühl, in der deutschen Gesellschaft auch wahrgenommen zu werden und willkommen zu sein. Man entdeckt die Motivation sich 'zu integrieren', die deutsche Tradition und die deutschen Werte kennen zu lernen. Denn wie heißt es so schön: Neugier muss auf beiden Seiten entstehen, damit sich die Menschen überhaupt näher kommen.

Doch eines sollten wir uns noch einmal vor Augen führen: Die kulturelle, sprachliche und religiöse Vielfalt Deutschlands birgt große Chancen für Alle. Allein die Esskultur in Deutschland wurde durch die Migranten um zahlreiche Spezialitäten und Gewürze bereichert. Auch durch das Kennenlernen unterschiedlicher Menschen und Kulturen erweitern wir unseren Horizont. Jedoch realisieren sich diese Chanen nicht von alleine. Um das friedliche Zusammenleben zu sichern, die Chancen der Vielfalt zu mehren und die Risiken kultureller Konflikte zu mindern, müssen die Menschen unterschiedlicher Herkunft integriert werden.