Einblicke


Armin Laschet hatte bis vor einiger Zeit eine Kolumne in der Hürriyet, für die er einmal in der Woche schrieb. Die Vereinbarung zwischen dem Blatt und ihm war: Er durfte über alles schreiben, nur nicht über Politik. Das hatte die Kolumne so lesenswert gemacht.

Wenn Politiker über Politik schreiben wollen, dann sollen sie ein Buch schreiben. Einige haben es ja bereits getan und damit entweder gutes Geld verdient, oder den Buchhandlungen neue Staubfänger beschafft. Einige wollen es noch oder lassen es bereits schreiben und wieder andere lassen es lieber sein. Selbstverständlich ist es vollkommen okay, wenn Politiker hin und wieder mal irgendwo einen Gastbeitrag verfassen. Aber regelmäßig in einer Kolumne über Politik schreiben - nein, das sollten sie anderen überlassen. Unser Land hat genug talentierte Schreiber, die das bestens können.

Deshalb: Einblicke.
Hier soll es nicht um Politik gehen - zumindest meistens nicht. Hier soll es um etwas anderes gehen. Um Begegnungen, um Erlebnisse, Ereignisse, um Zufälle- eben um Einblicke.

Das andere IchEinige werden es wissen, ich bin ein wenig Facebookaktiv. Ich teile dort Dinge mit, die mich bewegen, die mir gefallen, meine Begegnungen, Aktivitäten sowie auch Dinge, die mir nicht gefallen. Ich nutze meine Seite zwar überwiegend politisch, klammere aber das Private nicht gänzlich aus, wie es beispielsweise einige Kollegen machen - was ihr gutes Recht ist.

Mir persönlich ist es wichtig, dass die Menschen mich nicht nur mit dem was ich politisch mache, oder wie ich politisch denke wahrnehmen. Nein, daneben gibt es ja noch ein anderes Ich. Eins, das gerne mit Freunden unterwegs ist, ins Kino geht, Fußball guckt, verreist, den Zoo liebt, feiert oder zur Entspannung leidenschaftlich gerne kocht und Freunde bewirtet.

Vorbilder
Vor Kurzem postete ich auf meine Seite ein kurzes Video. Das Video zeigte eine gut gelaunte Gruppe - zu der ich auch gehörte -, die in einem Restaurant für türkische Stimmung sorgte: Man sang und nahm alle anderen mit. Nach einigen Liedern wurden von den Nachbartischen schon Wünsche geäußert. Ich habe diesen Augenblick sehr genossen. Er war fröhlich, schön und sehr friedlich. Die Stimmung war ansteckend. Wer weiß, vielleicht hatten wir es sogar geschafft, den einen oder anderen in diesem Restaurant, wenn auch nur kurz aus seiner schlechten Stimmung rauszuholen? Wir waren eine gute Truppe an dem Abend. Eine, die sich zum größten Teil erst an diesem Tag im Rahmen der Vorveranstaltung kennengelernt und nach einigen Stunden so viel Freude miteinander hatte. Ich fand das teilenswert und wollte somit, dass auch meine Facebookfreunde Anteil an meiner Freude und diesem Augenblick haben. Schließlich muss niemand glauben, dass das Leben der Politiker nur aus Politik besteht. Es dauerte nicht lang, da kommentierte einer meiner Freunde dieses Video. Sehr höflich und voller Zurückhaltung, doch mit der Kritik verbunden, dass sich solch ein Posting für eine Politikerin nicht schickt. Schließlich sei man eine Vorbildperson, eine, an die man Hoffnungen setzte und dieses Video sei nun mal zu privat. Es gäbe genug Menschen, die diese Atmosphäre nie erleben könnten, da müsse man mehr Sensibilität beweisen.

Das regte mich zum Nachdenken an. Hatte ich jemanden ungewollt verletzt? Hatte ich rumgeprahlt? Nein, das alles waren nicht meine Beweggründe. Diese habe ich vorhin genannt. Doch da war wieder dieses, was ich eigentlich gar nicht so mag: Vorbild sein. Es stimmt ja, gewissermaßen sind wir, diejenigen, die im öffentlichen Leben stehen, sicherlich alle Vorbilder. Das ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich fühle ich mich geschmeichelt, wenn mir das jemand sagt, doch es macht mir auch ein wenig Angst. Denn nicht all meine Handlungen sind vorbildlich. Ich bin kein fehlerfreier Mensch. Manchmal wünschte ich, ich wäre eine bessere Freundin, die mehr Zeit für ihre Freunde hat. Manchmal eine bessere Tochter, die sich mehr um ihre Eltern kümmert und manchmal auch eine bessere Ehefrau, die öfter Mal nach nach Hause kommt, bevor der Mann bereits dem Tiefschlaf verfallen ist, oder auch einfach öfter für ihn - Emanzen Vorsicht! - kochen kann. Auch gelingt es mir nicht immer, alle Hoffnungen zu erfüllen. Manchmal, weil mir die Möglichkeiten fehlen und manchmal auch, weil ich einfach eine andere Überzeugung habe. Deshalb: Wenn Vorbilder auch Ecken und Kanten haben dürfen, manchmal auch schwach sein können und auch nicht immer nett sein müssen, dann bin ich gerne eins. Wenn sie aber stets einwandfrei und sensibel sein müssen, dann tut es mir Leid, ich werde nie eins werden.

Neulich
Neulich war ich wieder in meiner Heimatstadt Marl und traf einen alten Freund, den ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Ich habe mich sehr darüber gefreut ihn wiederzusehen, noch mehr aber über die Erkenntnis, dass es Dinge gibt, die die Zeit nicht zu ändern vermag. Beispielsweise die Tatsache, dass man auch nach so langer Zeit so miteinander spricht und lachen kann, als hätte man sich erst gestern gesehen. Das sind schöne Momente, schöne Zufälle über die wir leider viel zu selten sprechen. Das sollten wir ändern. Ich für meinen Teil habe mir genau das jetzt vorgenommen.


Serap Güler