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 01/08/2013
 

Gastbeitrag-Aydan Özoğuz


Gastbeitrag von Aydan Özoğuz, Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, für das Online-Magazin 'Almanya Bülteni'

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten sechzig Jahren stark verändert. Sie ist bunter geworden. Deutschland ist ein Einwanderungsland und immer auch ein Auswanderungsland. Fast jeder fünfte in Deutschland hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Doch oftmals werden Einwanderung oder auch nachfolgende Generationen von einstmals Eingewanderten immer noch zu selten als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft oder als Bereicherung wahrgenommen. Mit der Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt im Juni 2013 setzt sich die SPD dafür ein, dass mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte eine Stimme haben und ihren Beitrag in der Partei und in der Gesellschaft für mehr Vielfalt, Chancengleichheit und Anerkennung leisten können - also in der Partei und nach außen sichtbar werden. Die Entwicklung in den kommunalen Parlamenten zeigt zunehmend, wie bunt und vielfältig die SPD ist. Dies gilt es nun auch bis in den Bundestag weiterzuentwickeln.

Auf meinen zahlreichen Reisen durch Deutschland habe ich viele Menschen kennen gelernt, die mir ihre Anliegen, Sorgen und Ideen mitteilten. Dieser Input ist ein Eckpfeiler meiner politischen Arbeit. Viele Themen, die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berühren, sind ursozialdemokratisch: Das Schlüsselwort ist Chancengleichheit und Teilhabe in allen Aspekten des Lebens, allen voran in Bildung und Arbeit. Für die SPD gilt das Aufstiegsversprechen durch Bildung. Herkunft darf kein Schicksal sein. Weder was die Bildung der Eltern angeht, noch wo sie oder die Großeltern geboren wurden oder welche Namen sie tragen.

In einem Antrag zu Integration hat die SPD im Bundestag klar herausgearbeitet, was wir für Chancengleichheit konkret tun müssen: Neben effektiveren Übergängen im Ausbildungssystem, Verbesserung des Anerkennungsgesetzes und gezielteren Maßnahmen gegen Diskriminierung gehört die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts dazu. Einen längst überfälligen Paradigmenwechsel durch die Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechtes von 1913 hatte Rot-Grün bereits im Jahr 2000 eingeführt. Doch durch Blockaden der FDP und Ablehnung der CDU konnte sie nicht vollständig umgesetzt werden. Das wird die SPD nach dem Wahlsieg nachholen. Das geltende Optionsmodell gehört abgeschafft, Mehrstaatigkeit ist dauerhaft hinzunehmen. Das Optionsmodell zwingt Jugendliche mit dem Erwachsenwerden zu einer unnötigen Wahl der Staatsangehörigkeit. Die Jugendlichen fühlen sich aber sowohl zur Herkunft der Eltern, als auch mit Deutschland verbunden. Die CDU fürchtet dagegen 'Loyalitätskonflikte' und zeigt, dass sie die Lebenswirklichkeit dieser Menschen überhaupt nicht kennt, geschweige denn verstehen könnte. Denn Mehrstaatigkeit ist längst die Regel, z.B. wird bei über der Hälfte der Einbürgerungen die alte Staatsbürgerschaft beibehalten! Besonders ungerecht ist, dass einbürgerungswillige Menschen nicht gleich behandelt werden: Während EU-Staatsangehörige, aber auch Marokkaner, Kubaner oder Iraner ihren alten Pass bei der Einbürgerung behalten dürfen, gilt für die größte Gruppe der Betroffenen, nämlich Jugendliche mit türkischer Herkunft: Sie sind von Geburt an Deutsche unter Vorbehalt und können wieder zu Ausländern gemacht werden. Das ist ein absolut falsches Signal an die jungen Menschen. Sie gehören hierher, sie sind Deutsche - mit ihrer Herkunft! Deshalb setzt sich die SPD dafür ein, dass die Optionspflicht abgeschafft und die doppelten Staatsbürgerschaft hingenommen wird. Ebenso gehört das Wahlrecht zu den Grundpfeilern eines demokratischen Systems und ist wichtig für die politische Partizipation. Bisher sind Nicht-EU-Bürger von der politischen Willensbildung schlichtweg ausgeschlossen. Deshalb ist die SPD seit Langem für die Erweiterung des kommunalen Wahlrechts.

Die Uneinsichtigkeit der CDU in diesen Feldern zeigt klar, dass sie nur Augenwischerei mit ein paar symbolträchtigen Integrationsgipfeln im Kanzleramt betreibt.

Die SPD wird dagegen weiter dafür kämpfen, dass Teilhabe und Chancengleichheit keine leeren Floskeln bleiben und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte mit ihren Lebensleistungen ernst genommen werden.


Aydan Özoğuz

Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion